Nachbargleis

Du saßest im Zug auf dem Nachbargleis,
ich musste erst hinter mein Spiegelbild sehn.
Es war fast, als folgte ich einem Geheiß –
oder doch einem Fluch? So schön warst Du, schön.

Fast schmerzte mich so viel Vollkommenheit,
da sah ich das Glück in deinem Gesicht,
und spürte in spiegelnder Gleichzeitigkeit,
wie meines erstrahlte in seinem Licht.

Zusammen noch rollten die Züge an,
zusammen noch glitten wir wie im Traum,
als fühlen wir in einem einz’gen Gespann
und gäb es für uns keinen Zwischenraum.

Und doch, das Band dehnte sich, streckte sich und –
wird nie ganz zerreißen, denn im Gedicht
werd ich deine Augen sehn und deinen Mund.
Solange ich schreibe, vergess ich dich nicht.

Hohe ZeitenMichael Domas